Mit einem Bildungs- und Begleitprogramm schliesst die Job-Werkstatt die Lücke zwischen dem Schweizer Arbeitsmarkt mit Fachkräftemangel und geflüchteten Menschen.
Im Bezirk Affoltern gibt es viele geflüchtete Menschen, welche einen Einstieg in die schweizerische Arbeitswelt suchen. Die allermeisten Geflüchteten wollen arbeiten, sich in unsere Gesellschaft integrieren und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Viele bringen auch relevante Arbeitserfahrung und ein grosses, oft vielseitiges Können mit. Sie kennen jedoch das schweizerische Arbeitsmodell kaum, was grosse Unsicherheit auslöst. Ihre Lebensläufe entsprechen nicht der schweizerischen Norm, es fehlt ihnen an Wissen und Erfahrung mit unseren Gesetzen und Bewerbungsprozessen.
Auf der anderen Seite gehen viele Unternehmen irrtümlicherweise davon aus, dass sie mit sprachlichen Hürden, Qualifikationsmangel oder komplizierten Formalitäten konfrontiert würden, wenn sie Menschen mit Fluchthintergrund anstellen. Sie befürchten einen grösseren Rekrutierungs- und Betreuungsaufwand, längere Einarbeitungszeiten oder auch kulturell unterschiedliche Ansichten über Arbeitseinsatz oder Arbeitsethos. Viele dieser Vorurteile lassen sich entkräften. Doch dafür braucht es die Möglichkeiten, dass ein Kontakt zwischen den Unternehmen und geflüchteten Menschen entsteht.
Die Job-Werkstatt – Trägerschaft dieses Projektes – ist ein politisch und religiös neutraler Verein mit Sitz in Mettmenstetten. Er wurde am 25. Januar 2021 gegründet und verfügt über die Steuerbefreiung des Kt. Zürichs.
Bei der Job-Werkstatt werden bereits aktive Initiativen (Tandem, Glocal Roots) gebündelt, wodurch Synergien und Effizienzen geschaffen und bestehende Angebote erfolgreich ergänzt werden.
Basierend auf dem vorhandenen Bedarf seitens Menschen mit Fluchthintergrund wie auch seitens Unternehmen im Bezirk Affoltern am Albis setzen wir folgendes Programm mit sieben Schwerpunkten um:
a) Bildung – notwendiges Wissen vermitteln
Mit einem Bildungs- und Begleitprogramm unterstützen wir Menschen mit Fluchthintergrund dabei, einen Arbeitsplatz, eine Lehre, eine Vorlehre, einen Praktikumsplatz oder eine Festanstellung zu finden. Zu diesem Zweck bauten wir im Jahr 2021 ein Zentrum im Knonaueramt auf. Dabei handelt es sich um einen Begegnungsort für Flüchtlinge, die sich bilden wollen, um eine Arbeitsmöglichkeit zu bekommen. Sie werden in den Bereichen Deutsch, IT und Kultur ausgebildet. Aktuell bieten wir drei halbjährige Deutschkurse mit Niveau A1 und A2 an, je zweimal wöchentlich. Zusätzlich zwei Konversationsgruppen für Ukrainer*innen und junge Afghanen, sowie ein spezieller Deutschkurs für Frauen.
Die Einführung in PC-Grundkenntnisse finden laufend an fünf Abenden zu je zwei Lektionen statt. Bereits fanden drei Fortsetzungskurse statt.
b) Coaching – bedarfsgerechte Unterstützung leisten
Für den Bewerbungsprozess und den Start in die Arbeitswelt bzw. Berufsschule werden geflüchtete Menschen von ehrenamtlichen Job-Coaches von Suchbeginn bis zum erfolgreichen Abschluss eines Anstellungsverhältnisses bzw. bis zum Lehrabschluss begleitet. Dazu helfen die Job-Coaches im Anstellungsprozess und funktionieren als Vermittler zwischen dem Betrieb und der geflüchteten Person bis zu einer gelungenen Arbeitsintegration. Damit hat auch das Unternehmen eine Ansprechperson, was gerade kleinere KMUs sehr schätzen.
Jede Person, die in unser Programm aufgenommen wird (aktuell sind es 29 Tandems) muss zudem an drei bis vier Workshops teilnehmen. Die Workshops haben folgende Themenbereiche: Bewerbungsunterlagen erstellen, Vorstellungsgespräche üben sowie schweizerische Unternehmenskulturen kennenlernen. In der Regel nehmen die Geflüchteten zusammen mit ihren Coaches an den Workshops teil.
c) Akquise – ein Netzwerk an Arbeitgebenden aufbauen
Eine Akquise-Gruppe kümmert sich um den Aufbau von Kooperationen mit Arbeitgebenden. Durch dieses Netzwerk wird ein Portfolio an Arbeitsplätze bei Unternehmen, Organisationen und Gemeinden erschlossen, wodurch wir anschliessend geflüchteten Menschen Zugang zu Lehrstellen, Praktika und vor allem Festanstellungen vermitteln können.
d) Cafeteria – soziale Teilhabe fördern
Unser Zentrum für Arbeitsintegration soll auch ein Begegnungsort sein, sowohl für Geflüchtete als auch für Schweizerinnen und Schweizer. Zentraler Ort dafür ist die Cafeteria in unseren Räumlichkeiten. Sie dient zudem auch der Vernetzung geflüchteter Menschen untereinander. Hier können sie sich nach den Kursen treffen und sich austauschen. Ebenfalls können sie im IT-Raum selbständig an den zur Verfügung gestellten Laptops arbeiten. Das soll sie auch zur gegenseitigen Unterstützung animieren.
e) Lese- und Schreibdienst – Unterstützung leisten beim Überwinden administrativer Hürden
Die deutsche Sprache an sich ist bereits herausfordernd zu lernen. Hinzu kommt, dass es anspruchsvoll ist sich im administrativen System der Schweiz zurecht zu finden. Dies insbesondere für Menschen, welche in ihrer Heimat nicht die Möglichkeit hatten auf umfassende schulische Bildung. Deshalb bieten wir einen sehr niederschwelligen Lese- und Schreibdienst an. Alle Menschen können jeweils ohne Anmeldung am Montag von 16 bis 19 Uhr Unterstützung bekommen im Schreiben von komplexen Briefen wie beispielsweise Bewerbungsunterlagen, Kündigungsschreiben an einen Vermieter oder Stipendiengesuche.
f) Beratung von Menschen mit Schutzstatus S – Begleitung ukrainischer Kriegsflüchtlinge
Aktuell kommen viele Geflüchtete aus der Ukraine, welche ihre Bewerbungsunterlagen auf Deutsch schreiben wollen. Gleichzeitig kommen sie mit vielen anderen Fragen auf uns zu. Unkompliziert und flexibel unterstützen wir sie auch dabei und bemühen uns, sie in allen Lebensbereichen zu beraten. Dazu haben wir auch zwei ehrenamtliche Übersetzerinnen, welche aus Weissrussland und aus der Ukraine stammen. Oft sind sie die einzigen Personen, mit denen die ukrainischen Flüchtlinge in ihrer Sprache reden können, wenn sie in schweizerischen Gastfamilien untergebracht sind.
g) Frauengruppe – gezieltes Empowerment von Frauen
Mit einer neuen Gesprächsgruppe bietet die Job-Werkstatt seit Januar 2023 Frauen mit Kindern einen geschützten Rahmen, in welchem sie die Arbeitswelt kennenlernen können. Damit die Frauen sich auf die Gespräche konzentrieren können, wurde eine Kinderbetreuung eingerichtet. In gemeinsamen Gesprächen haben die Frauen Zeit, sich auf einen möglichen Einstieg in die Arbeitswelt vorzubereiten, Fragen zu stellen und Kontakte zu knüpfen. Dazu vermitteln unsere Freiwilligen in diesen Gesprächsrunden Informationen rund um die Erwerbstätigkeit von Frauen. Gleichzeitig werden den Frauen spannende Einblicke in verschiedene Berufe gegeben, zum Teil ganz praktisch beim Besuch eines Betriebes wie ein, Pflegeheim oder dem Volg. Zusätzlich geht es auch um gegenseitige Unterstützung und Ermunterung, das Aufbauen von Selbstvertrauen sowie die Motivation, Deutsch zu lernen. Barbara Meister, Verantwortliche Deutschunterricht und Frauengruppe: «Die Frauen sind mit vollem Elan dabei, sind wissbegierig und hoch motiviert. Es ist eine Freude!» Neu wird zudem seit Januar 2023 ein Deutschkurs speziell für Frauen angeboten, der am Nachmittag ebenfalls mit Kinderbetreuung stattfindet.